Sonntag, 7. Juli 2013Kapitel 14: Hass, Hass, Hass - oder: Der Mops mit dem Anker-Tattoo
Das Motel entdeckten sie durch den Zufall, der seinem verfolgungswahnsinnig induzierten kurzfristigen Putzwimmel geschuldet war.
„Lass es doch weiter gerinnen und verkrusten! Dann wird die Automaschine organischer!“ Sagte sie. „Lass doch einfach mal eine übersichtliche Zeitspanne über Deine Fresse zu! Dann wird der Moment mit Dir erträglicher!“ Dachte er. Sagen tat er nichts. Lenkte das anorganische Gefährt in eine unausgeleuchtete Gasse nahe eines nächtlich kalt erstrahlenden Megagigantosupermarkts. Bloß keine unnötige Aufmerksamkeit erregen. Bloß nicht auffallen. Bloß kein Generve. Bloß keine Leute. Bloß keine Fragen. Bloß keine Bullen. Bloß keine Verhaftung. Bloß kein Mordverdacht. Bloß keine Todesstrafe... Bloß kein... Nee! Todesstrafe wär okay. Aber nicht wegen solch einer blutigen Kacke. Und ficken wollte er auch noch mal. Ne Fotze. Und nicht gefickt werden. Von nem Schwanz. Er versuchte, den Wagen wortlos zu verlassen, versagte und sagte: „Kannste warten?“ „Ich geh mal gucken, was hier so geht!“ So gingen sie. Getrennt. Zwei gekaufte Kanister mit destilliertem Wasser und drei gekaufte Familienpackungen Küchentücher später stellte er nüchtern fest, dass sie noch immer gucken ging, was dort oder wo immer auch sonst so ging. Er knipste die Lichter in seinem Oberstübchen durch vollkommene Konzentration auf den Reinigungsprozess im Dreivierteldunkel aus. Der Lichtschalter im Kopp kippte sich jedoch eigenständig auf „AN“ zurück. Hass stieg in ihm auf. Wütend heißer Hass. Je mehr blut- und destillatdurchtränkte Küchentücher er um den Mustang verteilte und je ungestümer er auf dem Lack und den Fenstern rumradierte, desto stärker spannte der Hass unter seiner Haut. Hass ohne Ziel. Hass ohne Objekt. Der reine pure 32 Jahre lang gärende und nun destillierte Hass. Die Essenz, das Ambrosia. Hass, Hass, Hass! Er versuchte wütend, den Hass auf eins der Gesichter seiner Vergangenheit zu lenken, die er wie unzählige Fotografien vor sich ausbreitete. Oma, Vater, Mutter, Zeugen-Jehovas-Älteste und –verleumder, all die Lehrer, die seine Hilferufe gepflegt ignorierten. Aber keine der Fratzen hatte den genügend starken Ausdruck, um Hass-Essenz zu absorbieren. Er würde wieder drauf sitzen bleiben. Den Hass wieder schön komprimieren, zusammenfalten und tief in sich reinstopfen. Warum machte er sich überhaupt die Mühe? Glück ist nur ein zynischer Platzhalter für Ignoranz! Kubik-Hass! Glück ist sowas von 90er! Das durchdachte sich griffig: Glück ist sowas von 90er! Er dachte abrupt an den Smiley auf den kleinen runden Pillen, deren MDMA ihn auf grotesk ausgebreiteten Schwingen bettete. Er war der Sucht nicht anheim gefallen. Das rief Bedauern in ihm aus. It’s better to burn out than to fade away. Er hätte sich in Kalifornien Drogen beschaffen müssen. Dann hätte es auch mit dem Suizid geklappt. Und vor allem wär er bunt gewesen. Lavalampen-Suizid. Dann doch eher 70er. Der Fluch der zu späten Geburt. Hätten ihn doch nur die 60er sozialisiert, er wär auf der LSD-Welle gebrochen. Glücksmomente in der Freitod-Extase... Sie hatte ihren Jutebeutel im Mustang liegen gelassen. Er öffnete ihn. Ein stumpfer Glanz benetzte seine Augen, die den Revolver fokussierten. Die Reise versprach, an Fahrt aufzunehmen. Das war der erste hilflose Gedanke, der ihn vom Schock verschonte. Angesichts eines scharfen, Menschen auszuknipsen fähigen Werkzeugs. Ein hübsches stählern reflektierendes Werkzeug. Er war fasziniert. Und erkannte plötzlich die Möglichkeiten. Dieses geniale menschengemachte Werkzeug war die Möglichkeit. Sein Leben zu beenden. Oder das Leben anderer. Ungeahnte Möglichkeiten. Der Revolver sollte noch eine maßgebliche Rolle in seinem Leben spielen, das fühlte er. Und er fühlte ein ungeahntes Glück, als er die Waffe in seinen Händen wiegte. Wie ein kleines zerbrechliches hilfloses Baby. Das war der Fahrschein! Das war die Zukunft! Er fühlte, dass das Glück, das ihn nunmehr erfüllte, seinem Hass neue Nahrung, frischen Zunder gab. Sein Hass hatte eine neue Ausdrucksmöglichkeit gewonnen. Next level of hate! Der Hass, der ihn wie einen gebrochenen Esel ritt, funktionierte weiter. Und das hatte er sich längst selbst beigebracht: Warum den Hass bekämpfen? Er saß auf dem Beifahrersitz des Pferdchens, verstaute das hübsche Werkzeug in ihrem hässlichen Beutel und erinnerte sich an die Frauen, die ihr vorangegangen waren. An die Hilflosigkeit dieser Frauen, wenn er sie ehrlich mit sich konfrontierte. Die Ohnmacht, die immer wieder im Vorschlag mündete: „Vielleicht machst Du mal eine Therapie?“ Eine Therapie! Hohn! Um Vermeidungsstrategien zu lernen? Um gesellschaftsfähig geprügelt zu werden? Wenn er diese feinen verhaltenstherapeutisch eingeimpften Vermeidungsstrategien an die Hand bekommen hätte, die sich zum Ziel setzten, den Hass zu vermeiden, hätte das einen feinen Nährboden für seinen Selbsthass bereitet. Doch war sein Selbsthass längst so ausgeprägt, dass er ihn nicht noch genährt wissen musste. Machte die Vermeidung von Hass überhaupt biologisch Sinn (gesellschaftlich sicherlich!)? Hass war in den Organismus implementiert, hatte also eine natürliche Lebensaufgabe. Hass als natürlicher Teil des menschlichen Organismus. Feind der Evolution? Fick dich! Die Zivilisation, der menschliche Gesellschaftswahn war der natürliche Feind des Hasses! Das Verbot von Hass also menschenverachtender als das Ausleben desselben! Da der Hass im bunten vielfältigen Zustandsrepertoire des Menschen an sich einen festen Platz hat, ist doch die Aufgabe einer menschengemachten Gesellschaft, diesen Hass eben nicht durch Sanktionen im Verborgenen wuchern zu lassen, sondern ihm einen willkommenen Platz im täglichen Leben einzuräumen, in dem er es sich bequem machen kann und ihm mit Liebe begegnet wird. Das Paradox heißt Mensch! Einmal mehr! Er stellte – ebenfalls einmal mehr – fest, dass sein Hass keine Person, kein Objekt an sich zum Ziel hatte. Er hasste ganz einfach den Menschen als Gebilde, als Struktur, als eine morbide (und abseitige) Form der Überkategorie Leben. Manchmal wünschte er sich, die ganze politische Ochsentour durchzubuckeln, bis er endlich an den roten Knopf gelassen würde, der ihm die Vernichtung der Menschheit ermöglicht hätte. Feuchte pubertäre Träume eines Arschlochs, das sich dem Erwachsenwerden verwehrte. Er war bereit zu zerstören, weil er an nichts glaubte. „Hier ist nix, lass uns weiter!“ Sie schreckte ihn hoch, er spürte die Anspannung eines Gazellenjungen, das gerade in der Steppe die Gefahr durch die hungrige Löwenmutter witterte, in der Gewissheit, den Fluchtspurt nicht überleben zu können. „Dann fahren wir weiter, die Blutspuren sind beseitigt“, sagte er zu seiner Entspannung. „Ach, das Blut ist weg!“ Er war fasziniert von dem Bedauern in ihrem unfokussierten Blick. Er dachte an den Revolver. Und war nicht beunruhigt. Zehn Minuten später stieg er mitten in einer langen Baustelle am Ende der Brücke nach Key Largo auf die Bremse. Es war dunkel, kein Auto weit und breit. „Was ist Dein Auftrag?“ „Wie meinen?“ presste es locker aus ihr heraus, seiner Meinung nach zu locker, nur aufgesetzt. Er hatte sie. „Warum bist Du hier unterwegs? Allein? Und kommst einfach so mit? Mit mir?“ „Weil Du mich faszinierst!“ Verdammt, er war in seine eigene Falle getappt. Dieser Gedanke verblasste sofort, denn hatte sie nicht eben von Faszination gesprochen? „Weil ich Dich fasziniere?“ „Du weißt echt nicht, wie stark Du wirkst! Du ziehst mich absolut in Deinen Bann. Durch Deine Anwesenheit. Deine Präsenz. Du schwitzt mit jeder Pore eine Absolutheit aus. Eine Absolutheit. Die ich nicht fassen kann. Hinter deren Massivität ich schauen möchte. Und gleichzeitig zeigst Du mir Deine vollkommene Schwäche. Du hast nicht nötig, etwas zu verbergen. Weil Dir nichts gefährlich werden kann. Außer Dir vielleicht!“ Sie blickte ihn voll an, ein offenes wunderschönes Gesicht. Und er sah etwas in ihren Augen, von dem er sich noch längst nicht wagte, es Liebe zu nennen. Also Faszination. Er sagte: „Und vielleicht siehst Du mich überhaupt nicht!“ „Das Risiko geh ich ein. Denn das, was ich erwarte, von Dir erwarte, ist jedes Risiko wert!“ Und er hörte sich plötzlich sagen: „Du bist auf dem richtigen Weg!“ „Ich weiß!“ Sie lächelte ihn an. Offen! „Hör zu, Tara, das ist wahnsinnig, aber Du liebst mich wirklich?“ „Ja!“ „Das ist krass. Echt gut!“ „Und Du? Warum liebst Du mich?“ „Weil Du Dich im Verborgenen hältst. Und ich das Gefühl habe, Dich trotzdem sehen zu können!“ „Du siehst mich! Ich spüre Dich in mir! Du musst mich festhalten. Nur festhalten!“ Sie war zerbrechlich. Während er sie anschaute, spürte er wieder das hauchdünne Glas, das ihre Fassade ausmachte. Aber noch mehr spürte er, dass er es war, der darüber entscheiden konnte, ob das Glas zersprang oder ganz blieb. „Tara, ich pass auf Dich auf!“ „Ich weiß! Du bist richtig. Ich habe keine Angst. Ich habe keine Angst!“ „Wahnsinn! Ich kann Dich anschauen und sagen: Ich liebe Dich!“ „Das ist gut! Echt gut!“ Sie präsentierte ihm weiter ihre Schwäche. Sie zog nicht zurück. Ja, es war richtig, dass sie bei ihm war. Sie war richtig! Er blickte an der Baustellenabgrenzung entlang und entdeckte ein kleines „Motel“-Schild, das nach rechts wies. Und eine kleine Lücke zwischen den Pollern. „Hier bleiben wir!“ Er bog auf den versteckten Weg ein, folgte eine halbe Meile einer palmengesäumten Allee und erreichte zusammen mit einem Ford Mustang, einer wunderschönen Frau, die ihn liebte, und einem hübschen Revolver das Motel. Eine übliche Barracke, direkt an einem winzigen Hauch von Strand. Mit eigener Tiki-Bar. Nur ein Auto parkte auf einem überdimensionierten Parkfeld. Er stellte den Motor aus, schnallte sich ab, wandte sich ihr zu, fixierte ihre Augen: „Hier möchte ich mit Dir schlafen!“ Sie gluckste. Dann tauchte der Mops auf. Gelb-graues Fell. Die bekannt zerfaltete Knautsch-Schnauze. Ein Prototyp der menschlichen Perversion. Role Model der niedlichen Hässlichkeit. Er stand in gut 5 Metern Entfernung, als er die Autotür öffnete. Und starrte ihn an. Ausdruckslos. Keuchend. Asthmatisch. Mitleid oder Abscheu. Er wusste nicht, wie er den Blick des Mopses interpretieren sollte. „What’s Up?!“ Das kaputtgezüchtete Viech starrte. Mitleid oder Abscheu. Er starrte zurück. Und war sich selbst nicht sicher, ob sein Blick Mitleid oder Abscheu ausdrückte. Mit einem Mal schien Mops das Interesse zu entgleiten und er wandte sich müde um, wankte seitlich aus dem Fokus. Und gab seine rechte Flanke preis. Und den Anker. Tatsächlich hatten perverse Viecher von Menschen dem pervertierten Viech einen Anker auf die Flanke gebrannt. Eine klare Form. Mops mit Anker-Tattoo schwankte an der Barracke vorbei an den Miniaturstrand. „Gehen wir rein?“ Sie schreckte ihn einmal mehr auf. „Hast Du den Mops gesehen? Mit dem Anker-Tattoo?“ „Du Spinner! Komm schon!“ 15 Minuten später lagen sie nichtssagend nebeneinander auf dem Kingsize-Bett. Sie waren laut der gelangweilten Dame an der Rezeption, die sichtbar seit einiger Zeit schon ihrer Blüte nicht mehr nachtrauerte, nicht die einzigen Gäste. Ein Dauermieter, den sie während ihrer Schichten noch nie zu Gesicht bekommen hätte, teilte sich den monströsen Komplex mit ihnen. „Die Tiki-Bar wird nicht öffnen. Wir haben kein Personal!“ „Ohne Tiki-Bar ist scheiße!“ sagte er, während er den defekten Deckenventilator musterte. „Warum?“ „Ich würde mir gern was reinkübeln!“ „Bevor Du mich klar machst?“ „Ja!“ „Geil, sowas wie’n Fickdate?“ „Nein!“ versetzte er zu heftig. „Ich hatte bis jetzt nur einmal sowas wie’n Fickdate. Und habe mich auch nur darauf eingelassen, weil ich dran glaubte, dass sich ne Beziehung daraus entwickelt.“ „Und hat sie sich draus entwickelt?“ „Ja.“ „Oh!“ Er wandte seinen Kopf dem ihren zu. Sie schaute ihn an. Fest. Offen. Und sagte: „Du bist echt ziemlich anders.“ „Bin ich?“ Und nachdem er ihren Worten nachgeschmeckt hatte, fügte er hinzu: „Ja, bin ich!“ Sie lenkte ihren Blick wieder gen Decke. „Hattest Du noch nie Sex, um des Sexes willen?“ „Nein.“ „Fehlt dir das?“ Er schwieg. Ihm schlich ins Bewusstsein, dass er seine Antworten wohl überlegen musste. Wollte. Der Sex-Komplex. Was konnte er ihr preisgeben? Was sollte er ihr preisgeben? Was wollte er ihr preisgeben? Alles! Er setzte sich auf, ließ seinen Körper umständlich an der vergilbten Lederpolsterung des Bettenrückenteils hochächzen. Sie tat es ihm gleich, allerdings ungleich eleganter, geschmeidiger, sinnlicher. Wohlkonzertierte Bewegungen, die ihn anschrien: „Du bist unser nicht würdig!“ Er ignorierte seine inneren Stimmen, die ansetzten, Widerworte zu formulieren. „Ich kann es Dir einfach nicht sagen. Sex ist für mich wie eine katholische Statue, von der verblendet Gläubige behaupten, sie würde Blut weinen. Für mich gibt es Sex um des Sex’ Willen nicht. Sex hat etwas Heiliges, etwas Geschütztes, etwas zu Beschützendes.“ „Du bist ein Träumer!“ Sie seufzte. Blickte durch ihn durch. Und er entdeckte ihr Bedauern. Deutete es als Bedauern um die vielen Male, in die sie Wildfremde in sich einfahren ließ, der Lust wegen. Zwei Menschen, die sich benutzten. Um ihre jeweiligen Lebenssituationen, die sie einander verschwiegen, erträglich zu gestalten. Sex als gemeinsamer Nenner des Primaten Mensch. Sex als soziale Funktion. Sex als künstliche Nähe in einer Welt, in der Individuen um ihr individuelles Recht willen sonderbare unmenschliche Verhaltensweisen an den Tag legten. Er verstand die Menschen nicht. Er verstand ihren Sex nicht. Eine von sich selbst eingenommene zivilisierte Rasse, die allem Natürlichen längst den Kampf angesagt hatte, solange sie dieses Natürliche nicht in ihrer Regelwut unter Kontrolle gebracht hatte. Er hasste die Menschen, die unkontrolliert kopulierten, um der „Lust“ willen, der Befriedigung, Scheiß-Dekadenz, Scheiß-Selbstbestätigungswahn. Er glaubte an Sexualität in seiner spirituellsten Ausprägung. Er, der absolute Atheist. Er, der Atheist aus Erfahrung. Er glaubte an zwei Menschen, die auf der Suche nach der absoluten Nähe zueinander Zuflucht im Beischlaf fanden. Ihm befremdeten affige Affären-Berichte aus seiner peer group. Er verstand den Sinn von One-Night-Stands nicht. Nein, ganz im Gegenteil: Affärenberichte und One-Night-Stand-Prahlereien bedrohten seine Existenz. Diese körperlose Dekadenz, dieser mangelnde Respekt vor der absoluten Nähe. Er hasste die menschliche Spezies wegeb erster Male mit 14 Jahren. Er hasste die menschliche Spezies wegen des animalischen Charakters ihrer Sexualität. Es passte nicht in den Zivilisations-, in den Kontrollwahn. Er fühlte sich ohnmächtig und wollte in diesem Moment nichts wissen von ihrer Sexualität, die sie vor ihm erlebt hatte. Er spürte eine massive Angst in sich aufsteigen. Jetzt konnte sie alles kaputt machen. Alles! Eifersüchtige Angst. „Ich wünschte, ich hätte mein erstes Mal mit Dir!“ Sie sagte es wirklich! „Ich wünschte, ich könnte all die Männer, die ich vor Dir hatte, ungeschehen machen.“ Ihm stockte der Atem. „Ich habe das Gefühl, als müsste ich mich bei Dir entschuldigen. Vor Dir rechtfertigen. Für all den Sex, den ich vor Dir hatte. Es fühlt sich plötzlich nicht mehr richtig an. Ich kann Dir im Moment nicht in die Augen schauen, weil ich Angst habe. Angst vor Deinem Blick. Angst davor, dass Dein Blick all Deine Verachtung transportiert.“ Sie schwiegen. Er schloss die Augen, um seine Verachtung zu verbergen. Und seine Angst. Und seine Eifersucht. Er war sprachlos. Sie sprach alles aus. Plötzlich. Zu plötzlich. Sie war die Richtige. War sie die Richtige? „Tara“, presste er heraus, um mit der zweiten Silbe bereits wieder seine Stimme ersterben zu lassen. „Ich kann doch nichts dafür, dass Du hier auftauchst“, versetzte sie trotzig. „Ich kann doch nichts dafür, dass ich Sex brauche, BRAUCHTE, um zu überleben. Ich hatte guten Sex. Ich hatte viel Sex. Verdammt noch mal, damit musst Du leben, Du Arschloch! Ich hatte das absolute Recht auf ein Leben vor Dir!“ Tränen rannen ihr über die Wangen. Sie machte zu. Sie machte absolut zu, stellte er fest. Er hatte sie getroffen, ohne zu wissen, wie er es angestellt hatte. Inzwischen schrie sie, während sie ihn von sich stieß: „Schau mich an! Jetzt schau mich endlich an! Ich bin ich! Ich kann nicht mehr sein! Ich bin nicht die unberührte Prinzessin aus dem Steinturm. Ich bin ein Mensch. Verdammt noch mal. Ich bin ein beschissener Kack-Mensch. Ich werde Deinen Ansprüchen nie gerecht. Ich werde Dir nie gerecht. Ich bin nur ein beschissener Mensch und keine Heilige!“ Ihr Blick hatte etwas Manisches, attestierte er sich. Sie war kompliziert, sie war manisch, versicherte er sich seiner Überlegenheit. Das tat gut. Er konnte ihr verzeihen. Etwas, zu dessen Verzeihen er überhaupt keine Rechtmäßigkeit hatte. Sie präsentierte ihm ihre Kehle. Er biss nicht zu. Redete er sich ein. Zeitgleich spürte er, wie sich der Hass in ihm zurückmeldete. Er war überrascht, dass letzterer sich die letzten zwei Stunden zurückgehalten hatte. Jetzt übernahm der Hass, Hass, Hass wieder die Kontrolle. Und endlich kamen die Bilder. Von Körpern, die sich ihrer bemächtigten. Körper ohne Gesichter, die sie zugelassen hatte. Zugelassen, dass sie Besitz von ihr ergriffen. Es fühlte sich falsch an. Er hasste die Körper. Er hasste die Männer. Er hasste den Sex, den sie zugelassen hatte. Den Sex, um des Sex’ willen. Er projezierte den Hass auf sie. Nun hatte er ein Gesicht. Sein Blick bildete ein Fadenkreuz des Hasses, dessen Schnittpunkt ihr Gesicht ausmachte. Sein Selbsthass. Seine Unsicherheit. Hass, Hass, Hass! Er hasste sich selbst. So sehr! So vollkommen. Er versicherte sich seiner Ohnmacht. Er versicherte sich seines Lebens-Unrechts. Nein, er hatte kein Recht zu leben. Er war falsch in dieser Welt. Und vielleicht würde sie es verstehen, wenn er den Mut aufbringen würde, ihr das zu sagen, was sie wissen musste. Was er wollte, dass sie es wusste. „Tara, es tut mir leid!“ „Ich weiß! Mir auch!“ Sie schwiegen. Dann flog die Tür auf. Kommentare
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KommentareMi, 13.03.2013 07:34
leider geil!!!
Fr, 09.11.2012 07:37
Hallo Herr Nilsen,
da ich d
ie Bande auch schon kennenlern
en, und mit ihren eigenen Mitt
eln erfolgreich schlagen [...]
Fr, 05.10.2012 15:27
ist das geil!!!!!!
XD made my
day!
Freue mich grad n bis
chen, nicht zum St.Pauli-Cente
r zu müssen und bange gl [...]
Sa, 21.04.2012 22:12
Du solltest deinen Kopf mal ei
ner gründlichen Untersuchung b
eim Spezialissten unterziehen!
Was du alles mit "Nazis [...]
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