Heute gibt es kein neues Kapitel, sondern einen aktuellen Text zu einem ebenso aktuellen Lebensereignis.
Ich sitze auf einem nur grob behauenen Steinquader, dessen unebene Fläche mir Rückenschmerzen bereitet, und stelle nüchtern fest, dass es nun schon sechzehn Jahre sind, die ich auf den Nervenzusammenbruch warte.
Wann, wenn nicht jetzt?
Alles ist bereitet, die Einschläge kommen näher, häufiger.
Gerade gestern erhielt ich meine persönlich erste Morddrohung, deren Realisierung ich als durchaus plausibel und durchführbar klassifiziere.
Ich bin nun mal ein ängstlicher Mensch, mit überentwickelter Vorsicht bedacht. Eine Mutation im Ängstlichkeitsraum.
Ich traue dem kontra‐evolutionär mutierten Menschen grundsätzlich das primitivste, asozialste, animalischste, viehischste, antihumanste, perverseste Handeln zu.
Dank eben seiner rückwärtsgerichteten Evolution in eine selbsterschaffene Realität, die sich den totalen Realismus zum Götzen gegossen hat. Das Goldene Kalb fortschreitender Menschengesellschafts‐Perversion. Deformation der humanen Idee.
Wobei der sich selbst überhöhende Realismus, der sich durch sich selbst befeuert, nur Ausdruck seiner degenerierten universalen Ignoranz ist.
Das Streben nach „Glück“, das gehirnverwaschen nur an zwei Komponenten glaubt: Sex und Geld.
Teufelsmale des Wahnsinns.
Denn die Sucht nach Leben (menschendefiniert) bringt ihm den Tod. Endgültig. Seinen Tod ‐ und den Tod der Möglichkeit des Todes seiner Nachkommen.
Der Mensch tötet den Tod, ohne das Leben zu ermöglichen.
Sex ist also als destruktives Moment zu begreifen – und wurde – anti‐evolutionär – vom Menschen um seine Arterhaltungs‐Funktion beraubt.
Der Kontrollwahn des Menschen birgt neben kurzzeitiger Illusion von Selbstwirksamkeit die nachhaltige Zerstörung der eigenen Spezies.
Der Prozess entzieht sich konsequent jedes Versuchs, ihn aufzuhalten.
Ich ziehe meine Angst vor dem Menschen aus meinem Hass auf den Menschen.
Verkehrte Kausalität?
Mitnichten.
Manirierter Masochismus?
Iwo.
Die Todesdrohung, der ich gestatte, von mir ernstgenommen zu werden, wurde mit dem Schwur auf den Koran gesalbt. Goldenes Kalb, ick hör dir trapsen.
Von einem Stück Mensch weiblicher Natur, das sich seinem Namen nach aus der Volksgruppe der Serben rekrutiert. Sie bewohnt eine dem Klischee widerstrebend adrett eingerichtete Wohneinheit unter der meinen. Gestern, Sonntagmorgen gegen halb acht, formulierte das Humanstück – kreischend auf dem Balkon – seine Morddrohung, powered by Koran.
So stellte sie mir und meiner Sippe den baldigen durch sie oder ihresgleichen beigebrachten Tod in Aussicht, während sie meiner Gefährtin die Massenvergewaltigung durch ihre, wie sie es subtil rassistisch konnotiert: „Kanaken‐Kumpel“ prophezeite. Paradoxerweise kam es zu diesem weitreichenden Ausfall durch den von meiner Gefährtin begangenen rechtsstaatlich legitimierten Akt des Rufens der Polizei. Als Reaktion auf einen wüsten Ausbruch einer hysterischen Episode des vermeintlich ehrenhaften Weibstücks unter mir, während derer sie tobte, schrie, brüllte, zerstörte. Der Ordnungsfunktion der Polizeibeamten maß sie ohrenscheinlich keine für sich bindende Bedeutung ein, so dass die Exekutive den immerhin geordneten Rückzug anzutreten hatte. Und zumindest machten die Polizisten von der ihnen rechtlich zugesicherten Möglichkeit Gebrauch, Anzeigen wegen Beamtenbeleidigung in zweifacher Ausführung zu stellen.
Zahn um Zahn, Auge um Auge.
Ein potentiell beruhigendes Bild, das heutzutage leider seiner sozialdarwinistischen Funktion beraubt ist.
Nur kurz blitzt ein infernalisches Gemälde in meinen Fokus:
Die Fotze des vermeintlich serbischen unberechenbaren Miststücks, ohne blutspritzend abgetrennte Glieder auf dem Boden ihrer adretten Wohnung gebändigt, wird vom mächtigen Pimmel eines entrückt und selig lächelnden Crack‐Junkies in Christus’ Büßergewand gegen ihren Willen penetriert, während ich mit unbewegter Miene in Gottespose breitbeinig über ihrem Haupt die Axt erhoben habe, der Hure Babylons den Schädel zu spalten.
Die Rückenschmerzen, induziert durch die anti‐anatomisch ausgelegte Sitz
verlegenheit verhindern mein weiteres Verweilen in diesem Moment. Ebenso der auf der gegenüberliegenden Straßenseite sitzende Barde mit seiner verstimmten Gitarre, der über einem nicht logisch zu erfassenden Rhythmus eines einzigen verschwommenen Akkords sein Klagelied gegen die moderne Gesellschaft intoniert.
Die Kakophonie eines verzweifelt in ewiger Gestrigkeit verharrenden Mode‐Revolutionärs.
Der heute oft trotzig aufgezeigte Ausweg in die Revolution kann doch schon lange nicht mehr darüber hinwegtäuschen, dass Revolution nur als ein weiteres Mosaiksteinchen dem Prozess der menschlichen Selbstvernichtung zu dienen hat.
Da ist er nun, der Nervenzusammenbruch.
Ich mache mich auf den Weg zum Arzt, um mir meine einwöchige Arbeitsunfähigkeit in der Bugwelle meiner fortschreitenden Angstneurose bescheinigen zu lassen.
Vielleicht sollte ich gehen.